Geschichte der Antike 1 von Bernhard Palme
Verfasst: Sa 11.Okt 2008, 12:58
Mittwoch, den 08.10., war ich in der Vorlesung "Geschichte der Antike 1" von Bernhard Palme. Die Unzukömmlichkeiten in diesem Zusammenhang sind allgemein bekannt: Die Höchstgrenze bei den Anmeldungen lag bei 100, und mehr als 400 haben sich tatsächlich angemeldet. Zwar dürften nicht so viele da gewesen sein, aber dass der Leiter der Lehrveranstaltung sich erst bei dieser Gelegenheit auf die Suche nach einem größeren Hörsaal macht, wirft ein bedenkliches Licht auf die Zustände an dieser Universität. Und ein Hörsaal für 150 statt für 100 Studenten ist bei diesen Mengen nur eine marginale Verbesserung, bleibt aber nach wie vor eine Zumutung.
So weit, so schlecht. Was mich hier interessiert, ist vor allem die inhaltliche Ausrichtung von "Antike 1".
Vorauszuschicken ist, dass im Verlauf des Bachelorstudiums für jedes Epochenmodul nicht mehr als zwei Lehrveranstaltungen vorgesehen sind. In drei Jahren wird also z.B. die gesamte Antike ein Semester lang in zwei mal zwei Wochenstunden abgehandelt. Mehr wird es tatsächlich nicht. Das allein ist in meinen Augen schon ein glatter Witz. Von wem soll der akademische Grad "Bachelor" unter diesen Umständen ernst genommen werden?
Zu diesen Segnungen des "Bologna-Prozesses" kommt jetzt die Palmesche Verschärfung der Lage. Nach dem Überblick, den er letzten Mittwoch von sich gegeben hat, beabsichtigt er nämlich in 17 Vorlesungseinheiten (!) einen Schnelldurchlauf durch mehrere Jahrtausende. Am Ende dieser Hechel-Übung in einem überfüllten Hörsaal mit schlechter Luft werden wir vom "Weg" wahrscheinlich nicht viel und von der "Umgebung" so gut wie gar nichts mitbekommen haben. Selbst wenn er die vielen faszinierenden Themen der Alten Welt alle nur streift, bleibt ihm dafür zuwenig Zeit. Und es kann ja nicht Aufgabe einer Vorlesung sein, ständig irgendeine Veröffentlichung anzuführen, in der man alles genauer nachlesen könne. Vor allem führt ein solcher Parforce-Ritt nach kurzer Zeit zu nichts anderem als quälender Langeweile.
Am Piccadilly-Theater in London sah ich vor einiger Zeit ein Stück, dessen Titel – wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt – lautete: "The whole Shakespeare in two hours". Es wurde tatsächlich jedes Stück dieses genialen Autors in irgendeiner Form "behandelt" – aber nachher war ich trotz etlicher Gags nur mäßig begeistert: Bei der Fülle von Einzelheiten konnte ich mich nämlich an keine einzige mehr richtig erinnern. Irgendwie muss ich bei "Antike 1"an dieses Erlebnis denken (womit ich nichts gegen die Art der Darbietung von Bernhard Palme gesagt haben möchte, denn seine Vortragsweise ist nett und sympathisch).
Wie ich inzwischen feststellen konnte, geht es auch anders. Ein Freund von mir studiert Philosophie und war unlängst in der Vorlesung "Geschichte der Philosophie der Neuzeit" von Helmuth Vetter. Der sagte gleich zu Beginn, dass er völlig außerstande sei, die gesamte Neuzeit darzustellen, deshalb würde er sich auf die Zeit von Francis Bacon bis David Hume beschränken, da hätten alle mehr davon. Kant, Hegel, Marx, Kierkegaard usw. kommen also alle nicht mehr vor. Diese Vorgehensweise entspricht einem uralten didaktischen Grundsatz: Weniger ist mehr.
Die meisten zum Thema "Geschichte der Antike" erschienenen Bücher beschäftigen sich nur mit der Antike im engeren Sinn. Das Buch von Hans-Joachim Gehrke etwa, das allgemein als Pflichtlektüre gilt, enthält erst seit der 2. Auflage einen kurzen Abriss über die Hochkulturen Mesopotamiens. "Die Antike" von Werner Dahlheim beschränkt sich auf Griechenland und Rom. Nichts anderes tut das Oldenbourg-Lehrbuch „Antike“ von Wirbelauer.
Nun bin ich durchaus der Meinung, dass zu einer Geschichte der Alten Welt die Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens dazugehören. Voraussetzung ist aber, dass man genügend Zeit dafür hat. Was macht Palme? Ihm ist das alles zuwenig, er hat auch noch die neolithische Revolution und die Megalithkulturen auf seiner Agenda. Entsprechende Fragen zu diesen Themen hat er für die Abschlussprüfung bereits angekündigt.
Das alles verstehe, wer kann.
Im STANDARD war am Freitag ein Artikel zu lesen, der sich mit der "Bologna-Reform" beschäftigte. Der Autor, ein Dozent für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz, schrieb u.a. Folgendes: "Millionen von Studierenden quälen sich heute in Europa durch die neuen, frustrierend langweiligen Bachelorstudien, die mit zwingenden Einführungskursen vollgestopft sind; alles Interessantere wird ihnen, solange sie nicht im Master-Studium sind, verweigert."
Der Autor scheint zu wissen, wovon er spricht.
So weit, so schlecht. Was mich hier interessiert, ist vor allem die inhaltliche Ausrichtung von "Antike 1".
Vorauszuschicken ist, dass im Verlauf des Bachelorstudiums für jedes Epochenmodul nicht mehr als zwei Lehrveranstaltungen vorgesehen sind. In drei Jahren wird also z.B. die gesamte Antike ein Semester lang in zwei mal zwei Wochenstunden abgehandelt. Mehr wird es tatsächlich nicht. Das allein ist in meinen Augen schon ein glatter Witz. Von wem soll der akademische Grad "Bachelor" unter diesen Umständen ernst genommen werden?
Zu diesen Segnungen des "Bologna-Prozesses" kommt jetzt die Palmesche Verschärfung der Lage. Nach dem Überblick, den er letzten Mittwoch von sich gegeben hat, beabsichtigt er nämlich in 17 Vorlesungseinheiten (!) einen Schnelldurchlauf durch mehrere Jahrtausende. Am Ende dieser Hechel-Übung in einem überfüllten Hörsaal mit schlechter Luft werden wir vom "Weg" wahrscheinlich nicht viel und von der "Umgebung" so gut wie gar nichts mitbekommen haben. Selbst wenn er die vielen faszinierenden Themen der Alten Welt alle nur streift, bleibt ihm dafür zuwenig Zeit. Und es kann ja nicht Aufgabe einer Vorlesung sein, ständig irgendeine Veröffentlichung anzuführen, in der man alles genauer nachlesen könne. Vor allem führt ein solcher Parforce-Ritt nach kurzer Zeit zu nichts anderem als quälender Langeweile.
Am Piccadilly-Theater in London sah ich vor einiger Zeit ein Stück, dessen Titel – wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt – lautete: "The whole Shakespeare in two hours". Es wurde tatsächlich jedes Stück dieses genialen Autors in irgendeiner Form "behandelt" – aber nachher war ich trotz etlicher Gags nur mäßig begeistert: Bei der Fülle von Einzelheiten konnte ich mich nämlich an keine einzige mehr richtig erinnern. Irgendwie muss ich bei "Antike 1"an dieses Erlebnis denken (womit ich nichts gegen die Art der Darbietung von Bernhard Palme gesagt haben möchte, denn seine Vortragsweise ist nett und sympathisch).
Wie ich inzwischen feststellen konnte, geht es auch anders. Ein Freund von mir studiert Philosophie und war unlängst in der Vorlesung "Geschichte der Philosophie der Neuzeit" von Helmuth Vetter. Der sagte gleich zu Beginn, dass er völlig außerstande sei, die gesamte Neuzeit darzustellen, deshalb würde er sich auf die Zeit von Francis Bacon bis David Hume beschränken, da hätten alle mehr davon. Kant, Hegel, Marx, Kierkegaard usw. kommen also alle nicht mehr vor. Diese Vorgehensweise entspricht einem uralten didaktischen Grundsatz: Weniger ist mehr.
Die meisten zum Thema "Geschichte der Antike" erschienenen Bücher beschäftigen sich nur mit der Antike im engeren Sinn. Das Buch von Hans-Joachim Gehrke etwa, das allgemein als Pflichtlektüre gilt, enthält erst seit der 2. Auflage einen kurzen Abriss über die Hochkulturen Mesopotamiens. "Die Antike" von Werner Dahlheim beschränkt sich auf Griechenland und Rom. Nichts anderes tut das Oldenbourg-Lehrbuch „Antike“ von Wirbelauer.
Nun bin ich durchaus der Meinung, dass zu einer Geschichte der Alten Welt die Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens dazugehören. Voraussetzung ist aber, dass man genügend Zeit dafür hat. Was macht Palme? Ihm ist das alles zuwenig, er hat auch noch die neolithische Revolution und die Megalithkulturen auf seiner Agenda. Entsprechende Fragen zu diesen Themen hat er für die Abschlussprüfung bereits angekündigt.
Das alles verstehe, wer kann.
Im STANDARD war am Freitag ein Artikel zu lesen, der sich mit der "Bologna-Reform" beschäftigte. Der Autor, ein Dozent für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz, schrieb u.a. Folgendes: "Millionen von Studierenden quälen sich heute in Europa durch die neuen, frustrierend langweiligen Bachelorstudien, die mit zwingenden Einführungskursen vollgestopft sind; alles Interessantere wird ihnen, solange sie nicht im Master-Studium sind, verweigert."
Der Autor scheint zu wissen, wovon er spricht.