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Der Umgang mit Prüfungsfragen

Alles zum Studium der Geschichte (Bachelor/LA neu, etc.), was nicht in andere Kategorien passt
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Savonarola
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Der Umgang mit Prüfungsfragen

Beitrag von Savonarola »

Vor wenigen Tagen hatte ich die erste (schriftliche) Prüfung meines Studiums und muss leider feststellen, dass sich bezüglich der gestellten Prüfungsfragen bei mir eine gewisse Ernüchterung breitgemacht hat. Dabei möchte ich betonen, dass ich den Stoff der Vorlesung vollständig beherrsche, das ist also nicht das Problem.

3 von 5 Fragen waren Verständnis- und Interessensfragen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass nichts anderes als Antwort erwartet wurde als Geschwätz, auch weil die Fragen schon sehr schwammig gestellt waren. Eine dieser Fragen hatte ich dann abgewählt, weil mich diese sehr an die Aufgabenstellungen im Rahmen der Studienberechtigungsprüfung "Aufsatz über ein allgemeines Thema" erinnerten und mich dieses oberflächliche Herumgekreise über einem Thema schon nervte. Vor allem habe ich keine Ahnung, wieviel man schreiben muss/soll. Die ausgegebene Maxime "Besser wenig und richtig, als viel und falsch" war dabei nicht wirklich hilfreich.

Eine weitere Frage war "Von der Geschichtsschreibung zur modernen Geschichtswissenschaft". So weit so gut, ich könnte ohne Probleme den ganzen in der Vorlesung vorgetragenen Ablauf aufschreiben - nur kann es natürlich nicht verlangt sein, dass ich bei einer einzigen Prüfungsfrage mehrere Seiten fülle, vor allem wenn vom Dozenten vor der Prüfung angeraten, ja fast erfleht wird, nicht zuviel zu schreiben: "Wir müssen das alles auch lesen!" und die Zeit dafür viel zu knapp bemessen wäre. Deshalb habe ich mich weitgehend auf das 18./19. Jahrhundert beschränkt, über die Besonderheiten der modernen Geschichtswissenschaft geschrieben (Einheit der Geschichte, systematische Sammlung und Kritik aller Quellen, das Konzept des Wirkungszusammenhangs), über die Historiker dieser Zeit, dann noch etwas über die Annales-Schule sowie die früheren Quellensammlung von Muratori und Pez - und nachdem mir die Assistentin des Dozenten sagte, dass ich auch noch einen weiteren Ausblick auf die Zukunft geben solle, auch noch die verschiedenen Disziplinen des 20. Jahrhunderts aufgezählt, die wir in der Vorlesung durchmachten. Ob das annähernd das ist, was verlangt wurde, keine Ahnung. Vermutlich aber viel zu ausführlich, eventuell aber zu wenig weit gefasst.

Die letzte Frage hatte ich dann überhaupt nicht verstanden, weil man zusätzlich noch seine Meinung kundtun sollte, ob die erfragten Begriffe "nützlich" oder "nutzlos" seien, was ich angesichts des Themas der Frage mehr als nur unpassend fand.

Meine relative Ratlosigkeit betreffend des Umgangs mit Prüfungsfragen bekommt weitere Nahrung, wenn ich hier im Forum Aufgabenstellungen lese wie: "Fingieren Sie einen Augenzeugenbericht (Brief, Tagebuch etc.) zu einem Ereignis der „Studentenrevolte“ 1968 Bitte um Kreativität, es soll keine Wiedergabe des Lernstoffes sein!!!" (Sind wir hier beim kreativen Schreiben? Wie lange darf/muss das denn sein?) oder "Die Karolinger." (Geht es noch globaler? Ich hätte keine Ahnung wie und wie umfangreich ich darauf antworten sollte. Muss man hier (von der Inhaltstiefe her) Grundschulwissen auspacken oder eine verkappte Doktorarbeit beginnen, für die natürlich weder Zeit noch Raum vorhanden ist?)

Der langen Rede kurzer Sinn - ich bitte um Ratschläge bezüglich des Absolvierens von Prüfungen. Danke im Voraus!
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Eikinskjaldi
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Beitrag von Eikinskjaldi »

Kreativität ist gefragt, und man muss eben wissen, was wichtig ist. Wenn du über Karl den Großen schreibst, ist es weniger wichtig, dass er Weihnachten 2008 zum Kaiser gekrönt worden ist, wichtig ist, dass du die Bedeutung verstehst, nämlich dass da das christliche Kaisertum des Mittelalters seinen Ursprung hatte und die Beziehung zwischen Papst und Kaiser übers ganze Mittelalter über geprägt wurde.
Oder die S1 Prüfung beim Pohl, bezüglich der Schritte in der Geschichtsschreibung, ich hab das Stichwortartig mit Beispielen gelöst. So zB. Ursprungsmythen, z.B. Herkunft der Langobarden > Königsgenealogien, Aufzählung der Herkunft und Beziehungen innerhalb einer Königsdynastie, z.B. Genealogie ägyptischer Herrscher durch Manetho,...usw.

Denk nicht drüber nach, wieviel du schreiben musst. Denk drüber nach, was denn wichtig ist und schreib das. Der Geschichtslaie lernt irgendwelche Jahreszahlen und hat eine fixe Geschichte im Kopf. Der Historiker sollte hingegen jede Menge Querverweise und Wechselbeziehungen erkennen und das ganze dann irgendwie destillieren.

Sei doch froh, dass die Fragen so sind! Ich hab eine Zeit lang Psychologie studiert, wo es nur darum ging, Skripten bezüglich des Textes auswendig zu lernen, und dann in einem Multiple Choice Prüfungsbogen das anzukreuzen, was dem Geschriebenen am ähnlichsten ist. Null Verständnis, Studentenselektion, etc. Ich bin sehr zufrieden mit Prüfern wie Pohl.
VS
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Beitrag von VS »

ich bin auch eher dankbar für weiter gefasste fragestellungen als für das abfragen punktueller fakten - lexikonwissen ist nicht unser ziel.
wie schon geschrieben wurde: eine wesentliche fähigkeit des geschichtsstudiums ist es auch, überblicke geben und komplexe themen reduzieren zu können. gerade wenn du so viele fakten gelernt hast, ist folgendes sinnvoll: bring die fakten in einen zusammenhang, zeige entwicklungen auf, das kannst du eventuell auch mit bloßen stichworten und ein paar pfeilen tun.

mit kreativen texten bin ich eigentlich noch nie konfrontiert worden und frage mich auch, was der hinweis, man solle nicht den stoff wiedergeben, heißen soll. eine vorlesungsprüfung, bei der kein stoff gefragt ist?
der einzige wirklich von historischen inhalten losgelöste text in meinem studium war die frage nach der motivation in der s2-ringvorlesung.

btw: karl der große - weihnachten 2008 - diese kombination würde ich bei einer prüfungsfrage eher nicht hinschreiben. :mrgreen:
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Eikinskjaldi
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Beitrag von Eikinskjaldi »

2008, wtf?? ^^ 800...es war eine laaaange Nacht bei mir *räusper :D
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Savonarola
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Beitrag von Savonarola »

Danke vorerst! Ich hoffe es kommen noch ein paar Erfahrungsberichte.
Eikinskjaldi hat geschrieben:Ich bin sehr zufrieden mit Prüfern wie Pohl.
Nur damit keiner auf falsche Gedanken kommt: Hier ist bitte nichts gegen Pohl oder andere Dozenten gerichtet, dafür gibt es gar keinen Grund; vielmehr möchte ich nur wissen, woher der Wind weht.
VS hat geschrieben:mit kreativen texten bin ich eigentlich noch nie konfrontiert worden und frage mich auch, was der hinweis, man solle nicht den stoff wiedergeben, heißen soll. eine vorlesungsprüfung, bei der kein stoff gefragt ist?
der einzige wirklich von historischen inhalten losgelöste text in meinem studium war die frage nach der motivation in der s2-ringvorlesung.
Vor allem könnte man dann auch einen Brief von der Mitzi-Tante, deren Rauhhaardackel Anno '68 während der Studentenrevolte überfahren wurde, an ihren alten Lover aus Donezk schreiben und, um für mehr Authentizität zu sorgen, den Prüfungsbogen mit ein paar Krokodilstränen versehen.
Zuletzt geändert von Savonarola am Sa 28.Jun 2008, 16:20, insgesamt 4-mal geändert.
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Beitrag von Savonarola »

Eikinskjaldi hat geschrieben:Der Geschichtslaie lernt irgendwelche Jahreszahlen und hat eine fixe Geschichte im Kopf.
Jahreszahlen sind auch ein guter Punkt: dass man gewisse Daten im Kopf haben muss, ist klar.
Aber angenommen man macht eine Veranstaltung über Hagiographien bei Scheibelreier: angeblich werden auch die genauen Jahreszahlen geprüft:
Martin hat geschrieben:Der Scheibelreiter kann durchaus recht streng sein... JA, er fragt auch Jahreszahlen.
Nun wird man kaum die Lebensdaten aller Heiligen intus haben - in solchen Fällen frage ich mich schon: wo setzt ihr oder Scheibelreiter die ungefähre (!) Grenze?
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Beitrag von Eikinskjaldi »

Früher oder später wirst du schon draufkommen, wie die Prüfer so ticken. Go with the flow
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