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Allerdings lassen wir das Forum noch aktiv (also eher ein Vor-Ruhestand), nur die Neu-Registrierung ist ab sofort nicht mehr möglich. Leider ist das Administrationsteam auf eine Person geschrumpft und mir alleine ist es - auch zeitlich - nicht mehr möglich, das Forum den aktuellen Studienplänen angemessen anzupassen und das Forum zu moderieren.

Falls es Interessierte an einem Fortbetrieb gibt (eventuell in Kooperation mit der FB-Gruppe), können sich diese gerne an mich wenden.

Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

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Marcus
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Marcus »

Art Vandelay hat geschrieben:Zumindest nach gewissen BHS, mit deren Matura man ja auch Geschichte studieren kann, hat man wirklich 0 bis wenig Vorwissen...
Aha, und das ist der Grund, warum man im Hörsaal überflüssige Professorenerläuterungen (oder aber dumme Fragen) mit stoischer Miene über sich ergehen lassen muss. Und in diesem Forum tunlichst nichts darüber schreiben darf. Ich glaubs ja nicht.

Am Montag vor einer Woche gab es im Hörsaal in meiner ganzen Umgebung keinen einzigen, der von der Lutter besonders angetan war. Bei dieser Gelegenheit fiel auch jemandem die Bemerkung von der "Mittelschultante" ein. Aber hier fühlen sich alle möglichen Leute dazu berufen, sie in Schutz zu nehmen. Die meisten waren bei dieser Vorlesung gar nicht dabei. Was ist das eigentlich hier? Ein Beschwichtigungsforum? Ist das wichtigste Qualitätskriterium für einen Prof, dass er nett ist? Nett ist sie ja, aber das ist mir zu wenig.

Sind wir hier auf dem Weg in die totale geistige Anspruchslosigkeit? So toll war mein Geschichtsunterricht auf dem Gymnasium gar nicht, aber mir braucht niemand erst beizubringen, dass die Awaren nicht in Österreich eingefallen sein können, weil Österreich damals noch nicht existiert hat.

Und ich habe etwas dagegen, dass ich mir auf dem Boden einer Universität solche Trivialitäten anhören muss.
Leon_der_Profi
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Leon_der_Profi »

jetzt mal langsam. Natürlich darfst du hier darüber schreiben - wir haben sogar eine eigene Ecke, in denen du solche vermeintlich dummen aber amüsanten Fragen zum Besten geben kannst. Nennt sich bei uns Stilblüten: viewforum.php?f=29

Im Übrigen war ich auch bei der Vorlesung letzte Woche (wenn auch nicht sehr lange). Und niemand fühlt sich hier berufen, Prof. Lutter in Schutz zu nehmen, wir versuchen dir nur klar zu machen, dass es durchaus sinnvoll ist, auch dem letzten Blödmann im Hörsaal klarzumachen, dass es 1000 v. Chr. noch kein Österreich gab. Und zwar völlig professorenunabhängig. Ich hab in meiner HAK kaum Geschichte gehabt, und anderen wirds nicht anders gegangen sein. Wenn dir das in der VO zu langweilig ist, kannst du dir ja KU und SE umhängen oder auf eine andere VO ausweichen, sofern dir wirklich die Prof. nicht liegt.

Man sollte auch nie von sich auf andere schließen. Auch dir werden im Studium Themengebiete unterkommen, wo du völlig blank bist und dankbar sein wirst, wenn der Prof alle basics von selbst vermittelt und du nicht dauernd doof fragen musst.

Dass das lästig ist, wenn man - für sich - primitive Dinge anhören muss, ist unbestritten. Ich hab für sowas immer eine Zeitung dabei, wenn ich einen Hörsaal betrete. Wenn dir das auch zu trivial ist, steckst dir halt einen Stapel ihrer Literaturliste ein...
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Savonarola
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Savonarola »

Solange Prof. Lutter den Stoff strukturiert vorträgt, werde ich ihr - zumindest denke ich derzeit so - einiges verzeihen. Denn für das zur Verfügung-Stellen des Skripts der Vorlesung hat sie bei mir einen Stein im Brett. Eigentlich sollte das Standard sein (und ist es auch durchaus in so manch anderen Studienrichtungen). Dass ihr Vortrag in Verbindung mit ihrem Auftreten ungut an niedere Schulstufen erinnert, diese Meinung teile ich auch.

Mir ist lieber, Lutter erzählt etwas darüber, dass die Awaren gar nicht in Österreich einfallen konnten, als mir in jedem 3. Satz anhören zu müssen, dass man das Vorgetragene (oder auch eben Nicht-Vorgetragene) ohnehin schon wisse, wie das bei den verehrten Professoren Scheutz und Niederkorn ist.
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Marcus
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Marcus »

Savonarola hat geschrieben:Mir ist lieber, Lutter erzählt etwas darüber, dass die Awaren gar nicht in Österreich einfallen konnten, als mir in jedem 3. Satz anhören zu müssen, dass man das Vorgetragene (oder auch eben Nicht-Vorgetragene) ohnehin schon wisse, wie das bei den verehrten Professoren Scheutz und Niederkorn ist.
Nun ja, da hast Du auch wieder Recht. Wenn Du mir mit der Niederkorn kommst, diesem Höhepunkt der Strukturiertheit, bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als zuzugeben, dass es weitaus Schlimmeres gibt als die Lutter.
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Marcus
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Marcus »

Leider hat die zweite Einheit den bisherigen Eindruck, der bei dem einen oder anderen entstanden sein mag, nicht gerade verbessert. Frau Prof. Lutter ist in manchen Fragen der antiken Geschichte weniger sattelfest, als es scheint.

So hat sie z.B. erklärt, zur Christenverfolgung unter Diokletian sei u.a. es deswegen gekommen, weil die Christen den Kaiser nicht als Gott verehren wollten.

Nun ist dies eine ausgesprochen vordergründige Erklärung, die vor allem das Ergebnis christlicher Propaganda ist. Wenn Frau Lutter mit Recht fordert, dass der Begriff "Völkerwanderung" problematisiert werden muss, so wäre das auch für manche Erklärungsmodelle in Sachen Christenverfolgung angebracht. Ob die Weigerung, den Kaiser als Gott zu verehren, überhaupt eine solche Rolle spielte (und bei welcher Gelegenheit), ist eine offene Frage. Das Christentum galt unabhängig davon vielen Römern als Aberglauben, ja sogar als Irrsinn, der das Wohlwollen der Götter gefährdete. Viele Christen dürften aber ohnedies weniger ausschließlich orientiert gewesen sein, als dies die christlichen Quellen zugeben wollen. Vor allem die Christen der städtischen Oberschichten hatten offenbar kein Problem damit, neben ihren Kirchen auch Tempel und Synagogen zu besuchen. Die Motive Diokletians für die von ihm ausgelöste Christenverfolgung sind für die heutige Forschung letzten Endes eher unklar als klar (siehe dazu z.B. die Stichwörter "Diokletian" und "Toleranz" im Neuen Pauly). Doch handelt es sich hier nur um eine Kleinigkeit.

Viel skandalöser ist in meinen Augen die Tatsache, dass Frau Lutter uns allen Ernstes einreden wollte, nach 378 hätten die "Barbaren" das römische Bürgerrecht erhalten. 378 war die Schlacht von Adrianopel, bei der die Römer gegen einen Verband aus Goten und Alanen eine verheerende Niederlage erlitten und Kaiser Valens getötet wurde. Doch haben die Römer ihnen nicht aus lauter Dankbarkeit das Bürgerrecht verliehen. Auch später wurden die verschiedenen germanischen Verbände nicht als römische Bürger aufgenommen, sondern lediglich als foederati, und das ist ein wesentlicher Unterschied.

In den von Frau Lutter ins Netz gestellten Unterlagen ist Folgendes zu lesen: "...unter Kaiser Konstantin 313 Religionsfreiheit, wenig später wird das Christentum offizielle Religion". Ähnliches war auch in der Vorlesung zu hören. Die Religionsfreiheit ist allerdings nicht allein auf Konstantin zurückzuführen, der damals noch gar nicht Alleinherrscher war, sondern auf eine zwischen Konstantin und Licinius in Mailand getroffene Vereinbarung. Der Begriff "offizielle Religion" existierte damals nicht, und zur De-facto-Staatsreligion wurde das Christentum erst 380 unter Theodosius, das ist nicht wenig später, sondern 67 Jahre später.

Von einer Professorin für Geschichte an der Universaität Wien darf ich wenigstens erwarten, dass sie die historischen Fakten korrekt vorträgt, auch wenn sie nicht zur Alten Geschichte gehört.
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scalogna
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von scalogna »

Ich verstehe deine Empörung, hab jetzt gerade im Handout vom letzten Semester nachgeschaut - das mit dem Christentum steht genauso drinnen, was mir (als Nicht-Antike-Expertin) gar nicht aufgefallen ist (obwohl der Zeitraum zwischen 313 und 380 natürlich ein deutlich größerer ist als durch "wenig später" impliziert).
Falls es dir ein Trost ist: Diese Sensibiltät dürfte bei Zeiträumen, die ihr vertrauter sind, größer werden, im Handout zum karolingischen 'Ostland' vom letzten Semester findet sich etwa der (allerdings schlecht gerechnete) Hinweis:
955 (ein halbes Jahrhundert nach Pressburg, d.h. fast so lang wie die Zeit seit WK II!)
Bei den "Barbaren" stand letztes Semester allerdings noch ganz brav:
378 Ansiedlung von „barbarischen“ foederati auf dem Boden des Römischen Reichs
Auch in der Stunde hat sie damals, wenn ich mich recht erinnere, nichts von einem (pauschalen) Bürgerricht gesagt.
Allen Ernstes Ist Oesterreich Unrettbar.
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Marcus
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Marcus »

scalogna hat geschrieben:Bei den "Barbaren" stand letztes Semester allerdings noch ganz brav:
378 Ansiedlung von „barbarischen“ foederati auf dem Boden des Römischen Reichs
Stimmt, in den Unterlagen steht das auch in diesem Semester so. In der Vorlesung letzten Montag hat sie etwas anderes erzählt.

Aber selbst wenn man ihr zugute hält, dass sie sich versprochen hat, so ist leider auch die Jahreszahl 378 falsch. Die gotischen Verbände wurden nämlich von Kaiser Valens bereits 376 als foederati aufgenommen, doch wurde dieser Vertrag durch die Schlacht bei Adrianopel unwirksam. Der für die spätere Entwicklung vorbildhafte Föderatenvertrag wurde 382 unter Theodosius geschlossen.
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Epiktet
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Epiktet »

Marcus hat etliche hellhörig gemacht. Langsam fange ich selbst an, mich über Frau Lutter zu wundern. In der gestrigen Vorlesung sprach sie im Zusammenhang mit Karl dem Großen und seinen Nachfolgern im 9. Jh. ständig vom Heiligen Römischen Reich. Mein gestriger Sitznachbar zuckte sofort zusammen, und der Ausdruck ungläubigen Staunens fraß sich in seinem Gesicht fest.

Vom Imperator Romanorum sprechen die Urkunden erst seit 976, vom Imperium Romanum seit 1034. Vom Sacrum Imperium sprach man überhaupt erst unter den Staufern (also seit 1157). Dies sollte im Konflikt mit dem Papst Gleichrangigkeit und Erhabenheit des Reiches ausdrücken (Frau Lutter erklärte, der Begriff "heilig" habe damit etwas zu tun, dass das Reich christlich sei). Der umfassende Begriff »Hl. Röm. Reich« ("Sacrum Imperium Romanum") wird zum ersten Mal 1254 verwendet.

Ich frage mich, ob ich Frau Lutter hier falsch verstanden habe, weil ich gar nicht glauben kann, dass sie wirklich so viel Blödsinn verzapft.

Einem Hörer, der fragte, ob man etwas über die Sprachen der verschiedenen gentilen Verbände wisse, antwortete Frau Lutter, dass darüber überhaupt nichts bekannt sei. Nun trifft das für die Hunnen und sehr viele germanische Verbände durchaus zu. Über eine Sprache sind wir allerdings sehr genau orientiert, und das ist das Gotische. Schließlich hat Bischof Wulfila die Bibel aus dem Griechischen ins Gotische übersetzt. Darauf ist Frau Lutter aber nicht eingegangen.

Auch in diesem Punkt frage ich mich, ob ich Frau Lutter falsch verstanden habe.

Im Zusammenhang mit den Hunnen sprach Frau Lutter von der Jahrhunderte langen Nachwirkung Attilas im Nibelungenlied. Doch gerade zwischen dem König Etzel des Nibelungenliedes und dem historischen Attila besteht eine große Diskrepanz. Etzel ist ein eher passiver Machthaber, der an seinem Hof Vertriebenen Zuflucht und Unterstützung gewährt. Er ist alles andere als eine Geißel Gottes. Diesen Widerspruch hat Frau Lutter nicht einmal erwähnt.
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Steffi
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Re: Lutter - Österr. Geschichte bis 1526 (SS 09)

Beitrag von Steffi »

Hat sie schon etwas über mögliche Prüfungsfragen verlauten lassen???? Letzes Semester war es zumindest so....
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