Liebe alle,
nach langen Jahren des Betriebs folgt nun auch das Geschichteforum dem Germanistikforum (https://forum.narrenschiff.org) in den Ruhestand.

Allerdings lassen wir das Forum noch aktiv (also eher ein Vor-Ruhestand), nur die Neu-Registrierung ist ab sofort nicht mehr möglich. Leider ist das Administrationsteam auf eine Person geschrumpft und mir alleine ist es - auch zeitlich - nicht mehr möglich, das Forum den aktuellen Studienplänen angemessen anzupassen und das Forum zu moderieren.

Falls es Interessierte an einem Fortbetrieb gibt (eventuell in Kooperation mit der FB-Gruppe), können sich diese gerne an mich wenden.

Geschichte Weimars - Argument gegen mehr Direktdemokratie?

Forum für Gespräche rund um aktuelle geschichtswissenschaftliche Themen - für studientechnische Anfragen bitte die obigen Subforen benutzen
Antworten
michael20
Neo-Historicus
Neo-Historicus
Beiträge: 1
Registriert: Mi 11.Jun 2008, 16:56

Geschichte Weimars - Argument gegen mehr Direktdemokratie?

Beitrag von michael20 »

Wird sich, wie in Weimar, die Demokratie mit Plebeziten nicht selbst den Boden unter den Füßen entziehen?


In der Weimarer Republik gab es mehrere Volksentscheide die allesamt mißglückt sind. Selbst der immer wieder angeführte Volksentscheid gegen den Young-Plan, von Hitler, Hugenberg und anderen rechten Größen dieser Zeit unterstützt, scheiterte kläglich und hatte nichts mit dem Zusammenbruch der Weimarer Republik zu tun. Das Parlament (und nicht das Volk) hat das Ermächtigungsgesetz verabschiedet und damit Hitlers endgültige Machtgreifung ermöglicht.

Wie beurteilen Sie diese Aussage?

Besten Dank,
Michael
der gebenedeite
Neo-Historicus
Neo-Historicus
Beiträge: 1
Registriert: Mo 19.Okt 2009, 23:35
Studienplan: Doktorat /PhD

Re: Geschichte Weimars - Argument gegen mehr Direktdemokratie?

Beitrag von der gebenedeite »

Hallo,
die Hauptkritikpunkte am politischen System Weimarers richten sich weniger an den
plebiszitären Elementen (Volksentscheid ) in der Verfassung, sondern an der mangelnden Wehrhaftigkeit der Demokratie
gegenüber radikalen politischen Strömungen und der politischen Kultur in Deutschland allgemein.
Selbst die direkte Volkswahl der Reichspräsidenten Hindenburg, die immer wieder mal wenn die Debatte um die
direkte Wahl des Bundespräsidenten aufkommt, als Beispiel für die Gefährlichkeit von direkter Bürgerbeteiligung
angeführt wird, ist meines Erachtens kein gutes Argument; schließlich war es nicht die Wahl Hindenburgs, sondern
seine Machvollkommenheit in Verbindung mit zahlreichen unglücksehligen Verstrickungen und Zufällen die die
Auflösung der Weimarer Rep. mit verursacht hat.

Aus Angst dem Vorwurf mangelnder Toleranz ausgesetzt zu sein, ging man mit viel zu wenig Entschlossenheit und
Härte gegen die Nazis (die nie ein Hehl aus ihrer Verfassungsfeindlichkeit und Demokratieverachtung gemacht haben)
aber auch gegen die Kommunisten vor. So ließ sich das (übrigens mustergültig demokratische und sehr erfolgreiche )
preussische Kabinett von Otto Braun noch vor der Machtergreifung der Nazis von dem ergeizigen politischen Karrieristen
Pappen sang- und klanglos aus dem Amt jagen.

Im Übrigen glaube ich, dass es - frei nach Montesquieu - die grundlegende Kutlur und Geisteshaltung ist die die
Gesetze prägt und dem Verfassungstext leben einhaucht. In gewisser Hinsicht war die Weimarer Verfassung die liberalste,
modernste und fortschrittlichste Konstitution die es in Europa je gegeben hat, aber leider blieben die hehren Ideale unverwirklicht
und wurden von den Menschen nicht angenommen oder auch nur verstanden.

Im Gegensatz dazu war das Grundgesetz der BRD von Anfang an nur als Professorium gedacht, hat aber eine beispiellose Erfolgsgeschichte
vorzuweisen, nicht weil es so gut ist, sondern weil die Lebenswirklichkeit der Menschen in der Deutschland heute eine andere ist und
Demokratie und Rechtsstaat allgemein akzeptiert werden.

PS: Entschuldige wenn sich kleinere Fehler eingschlichen haben (ich bin Österr. und kein Experte für deut. ZG)
LG Alex
Antworten

Zurück zu „Diskussionen zu Geschichtlichem“