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@Ratzinger i. Presse.meinungen heute ... Meinungen?

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Starbuck
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@Ratzinger i. Presse.meinungen heute ... Meinungen?

Beitrag von Starbuck »

also dieser bericht ist aus der heutigen presse:
http://www.diepresse.at/Artikel.aspx?ch ... &id=477637
21.04.2005 - Meinung / Gastkommentare
"Es gibt in Europa eine seltsame Unlust an der Zukunft"
JOSEPH RATZINGER



Es gibt in Europa eine seltsame Unlust an der Zukunft. Am deutlichsten ist dies daran zu erkennen, dass Kinder als Bedrohung der Gegenwart angesehen werden; sie werden weithin nicht als Hoffnung, sondern als Grenze der Gegenwart empfunden. Europa scheint ausgerechnet in der Stunde seines äußersten Erfolgs von innen her leer geworden, gleichsam von einer lebensbedrohenden Kreislaufkrise gelähmt, auf Transplantate angewiesen. Diesem inneren Absterben der tragenden seelischen Kräfte entspricht es, dass auch ethnisch Europa auf dem Weg der Verabschiedung begriffen erscheint.

Über die mögliche Zukunft Europas gibt es zwei gegensätzliche Diagnosen. Oswald Spengler, glaubte für die großen Kulturgestalten eine Art naturgesetzlichen Verlauf feststellen zu können: Es gibt die Geburt, den Aufstieg, die Blütezeit einer Kultur, ihr Ermüden, Altern, schließlich ihren Tod. Spengler glaubte, dass das Abendland in seiner Spätphase angelangt sei und auf den Tod zugehe. Natürlich könne es seine Gaben an eine neu aufsteigende Kultur weiterreichen. Aber als Subjekt habe es seine Lebenszeit weitgehend hinter sich.

Diese als biologistisch gebrandmarkte These hat zwischen den beiden Welt kriegen besonders im katholischen Raum leidenschaftliche Bestreiter gefunden; eindrucksvoll ist ihr Arnold Toynbee entgegengetreten, freilich mit Postulaten, die heute wenig Gehör finden. Toynbee stellt die Differenz zwischen materiellem-technischem Fortschritt einerseits, wirklichem Fortschritt andererseits heraus, den er als Vergeistigung definiert. Er räumt ein, dass sich das Abendland - die "westliche Welt" - in einer Krise befindet, deren Ursache er im Abfall von der Religion zum Kult der Technik, der Nation und des Militarismus sieht. Die Krise heißt für ihn letztlich: Säkularismus. Wenn man die Ursache der Krise kennt, kann man auch den Weg der Heilung angeben: Das religiöse Moment muss neu eingeführt werden, wozu für ihn das religiöse Erbe aller Kulturen gehört, besonders aber das, "was vom abendländischen Christentum übriggeblieben ist." Der biologistischen tritt hier eine voluntaristische Sicht entgegen.

Wenn diese These stimmt - liegt es in unserer Macht, das religiöse Moment neu einzuführen, in einer Synthese aus Restchristentum und religiösem Menschheitserbe? Was vermag die innere Identität Europas in allen geschichtlichen Metamorphosen weiterzuführen? Oder noch einfacher: Was verspricht auch heute und morgen die Menschenwürde und ein ihr gemäßes Dasein zu schenken?

Um darauf Antwort zu finden, müssen wir kurz zurück blicken. Im 19.Jahr hundert haben sich zwei neue "europäische" Modelle entwickelt. Da steht bei den lateinischen Nationen das laizistische Modell: Der Staat ist streng geschieden von den religiösen Körperschaften, die in den privaten Bereich verwiesen sind. Er selber lehnt ein religiöses Fundament ab und weiß sich allein auf die Vernunft und ihre Einsichten gegründet. Angesichts der Fragilität der Vernunft haben sich diese Systeme als brüchig und diktaturanfällig erwiesen; sie überleben eigentlich nur, weil Teile des alten moralischen Bewusstseins weiterbestehen und einen moralischen Basiskonsens ermöglichen.

Auf der anderen Seite stehen im germanischen Raum die staatskirchlichen Modelle des liberalen Protestantismus, in denen eine aufgeklärte, wesentlich als Moral gefasste christliche Religion den moralischen Konsens und eine weit gespannte religiöse Grundlage verbürgt, der sich die einzelnen nicht staatlichen Religionen anzupassen haben. Dieses Modell hat in Großbritannien, in den skandinavischen Staaten und auch im preußisch dominierten Deutschland staatlichen und gesellschaftlichen Zusammenhalt über lange Zeit hin verbürgt. In Deutschland allerdings hat der Zusammenbruch des preußischen Staatskirchentums ein Vakuum geschaffen, das sich dann ebenfalls als Leerraum für eine Diktatur anbot. Heute sind die Staatskirchen überall von der Auszehrung befallen: Von religiösen Körpern, die Derivate des Staates sind, geht keine moralische Kraft aus, und der Staat selbst kann moralische Kraft nicht schaffen, sondern muss sie voraussetzen und auf ihr aufbauen.

Zwischen den beiden Modellen stehen die Vereinigten Staaten, die einerseits - auf freikirchlicher Grundlage geformt - von einem strikten Trennungsdogma ausgehen, andererseits doch tief von einem nicht konfessionell geprägten protestantisch-christlichen Grundkonsens geprägt wurden, der sich mit einem besonderen Sendungsbewusstsein religiöser Art verband und so dem religiösen Moment ein bedeutendes öffentliches Gewicht gab. Freilich schreitet auch in den Vereinigten Staaten die Auflösung des christlichen Erbes voran, während gleichzeitig die schnelle Zunahme des spanischen Elements und die Anwesenheit religiöser Traditionen aus aller Welt das Bild verändert.

Zurück nach Europa. Zu den zwei Mo dellen hat sich noch im 19.Jahrhun dert ein drittes gesellt, der Sozialismus, der sich alsbald in zwei Wege aufteilte, den totalitären und den demokratischen. Der demokratische Sozialismus hat sich als ein heilsames Gegengewicht gegenüber den radikal liberalen Positionen in die beiden bestehenden Modelle einzufügen vermocht, sie bereichert und korrigiert. Er erwies sich dabei auch als die Konfessionen übergreifend: In England war er die Partei der Katholiken, die sich weder im protestantisch-konservativen noch im liberalen Lager zu Hause fühlen konnten. Auch im wilhelminischen Deutschland konnte sich das katholische Zentrum weithin dem demokratischen Sozialismus näher fühlen als den konservativen Kräften. In vielem stand und steht der demokratische Sozialismus der katholischen Soziallehre nahe, jedenfalls hat er zur sozialen Bewusstseinsbildung erheblich beigetragen.

Das totalitäre Modell hingegen verband sich mit einer streng materialistischen und atheistischen Geschichtsphilosophie: Die Geschichte wird deterministisch als ein Prozess des Fortschritts über die religiöse und die liberale Phase hin zur endgültigen Gesellschaft verstanden, in der Religion als Relikt der Vergangenheit überwunden sein und das Funktionieren der materiellen Bedingungen das Glück aller gewährleisten wird. Die scheinbare Wissenschaftlichkeit verbirgt einen intoleranten Dogmatismus: Der Geist ist Produkt der Materie; die Moral Produkt der Umstände und muss je nach den Zwecken der Gesellschaft definiert und praktiziert werden. Alles, was der Herbeiführung des glücklichen Endzustandes dient, ist moralisch. Hier ist die Umwertung der Werte, die Europa gebaut haben, vollständig; hier vollzieht sich ein Bruch mit der gesamten moralischen Tradition der Menschheit: Es gibt keine von den Zwecken des Fortschritts unabhängigen Werte mehr. Alles kann im gegebenen Augenblick erlaubt oder sogar notwendig, im neuen Sinn moralisch sein. Die Zukunft wird zur grausamen Gottheit, die über alle und alles verfügt.
Die kommunistischen Systeme sind ge scheitert, zunächst an ihrer falschen ökonomischen Dogmatik. Aber man übersieht allzu gern, dass sie tieferhin an ihrer Menschenverachtung, an ihrer Unterordnung der Moral unter die Bedürfnisse des Systems und seine Zukunftsverheißungen zugrunde gegangen sind. Die eigentliche Katastrophe ist nicht wirtschaftlicher Natur; sie besteht in der Verwüstung der Seelen, in der Zerstörung des moralischen Bewusstseins.

Ich sehe ein wesentliches Problem für Europa und für die Welt darin, dass zwar nirgends das wirtschaftliche Scheitern bestritten wird und daher Altkommunisten ohne Zögern zu Wirtschaftsliberalen geworden sind. Hingegen wird die moralische und religiöse Problematik, um die es eigentlich ging, fast völlig verdrängt. Insofern besteht die vom Marxismus hinterlassene Problematik auch heute fort: die Auflösung der Urgewissheiten des Menschen über Gott, über sich selbst und über das Universum. Die Auflösung des Bewusstseins moralischer Werte, die nie zur Disposition stehen, kann aber zur Selbstzerstörung des europäischen Bewusstseins führen, die wir - unabhängig von Spenglers Untergangsvision - als eine reale Gefahr ins Auge fassen müssen.

So stehen wir vor der Frage: Wie soll es weitergehen? Gibt es in den gewaltigen Umbrüchen unserer Zeit eine Identität Europas, die Zukunft hat und zu der wir von innen her stehen können? Für die Väter der europäischen Einigung - Adenauer, Schumann, de Gasperi - war es klar, dass es eine solche Grundlage gibt und dass sie im christlichen Erbe unseres durch das Christentum gewordenen Kontinents besteht. Für sie war klar, dass die Zerstörungen, mit denen uns die Nazidiktatur und die Diktatur Stalins konfrontierten, gerade auf der Abstoßung dieser Grundlage beruhten - auf einer Hybris, die sich dem Schöpfer nicht mehr unterwarf, sondern beanspruchte, selbst den besseren Menschen zu schaffen und die schlechte Welt des Schöpfers umzumontieren in die gute Welt, die aus dem Dogmatismus der eigenen Ideologie entstehen sollte. Für sie war klar, dass diese Diktaturen, die eine ganz neue Qualität des Bösen hervorbrachten, auf der gewollten Abschaffung Europas beruhten und dass man wieder zu dem zurückkehren müsse, was diesem Kontinent in allen Leiden und Verfehlungen seine Würde gegeben hatte.

Der anfängliche Enthusiasmus der neu en Zuwendung zu den großen Kon stanten des christlichen Erbes ist schnell verflogen, und die europäische Einigung hat sich dann zunächst fast ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten vollzogen, unter weitgehender Ausklammerung der Frage nach den geistigen Grundlagen einer solchen Gemeinschaft. In den letzten Jahren ist das Bewusstsein dafür wieder gewachsen, dass die wirtschaftliche Gemeinschaft der europäischen Staaten auch einer Grundlage gemeinsamer Werte bedarf: Das Anwachsen der Gewalt, die Flucht in die Droge, das Zunehmen der Korruption lässt uns sehr fühlbar werden, dass der Werteverfall materielle Folgen hat und dass Gegensteuerung notwendig ist.

Drei wesentliche Dinge dürfen in einem künftigen Europa und seiner Verfassung nicht fehlen. Das erste ist die Unbedingtheit, mit der Menschenwürde und Menschenrechte als Werte erscheinen müssen, die jeder staatlichen Rechtssetzung vorangehen. Günter Hirsch hat mit Recht betont, dass diese Grundrechte nicht vom Gesetzgeber geschaffen noch den Bürgern verliehen werden, "vielmehr existieren sie aus eigenem Recht, sie sind seit je vom Gesetzgeber zu respektieren, ihm vorgegeben als übergeordnete Werte." Diese allem politischen Handeln und Entscheiden vorangehende Gültigkeit der Menschenwürde verweist letztlich auf den Schöpfer: Nur er kann Rechte setzen, die im Wesen des Menschen gründen und für niemanden zur Disposition stehen.

Insofern ist hier wesentlich christliches Erbe in seiner besonderen Art von Gültigkeit kodifiziert. Dass es Werte gibt, die für niemanden manipulierbar sind, ist die eigentliche Gewähr unserer Freiheit und menschlicher Größe; der Glaube sieht darin das Geheimnis des Schöpfers und der von ihm dem Menschen verliehenen Gottebenbildlichkeit. So schützt dieser Satz ein Wesenselement der christlichen Identität Europas in einer auch dem Ungläubigen verstehbaren Formulierung.

Nun wird heute kaum jemand direkt die Vorgängigkeit der Menschenwürde und der grundlegenden Menschenrechte vor allen politischen Entscheiden verleugnen; zu kurz liegen noch die Schrecknisse des Nazismus und seiner Rassenlehre zurück. Aber im konkreten Bereich des so genannten medizinischen Fortschritts gibt es sehr reale Bedrohungen: Ob wir an das Klonen, an die Vorratshaltung menschlicher Föten zum Zweck der Forschung und der Organspende, an den ganzen Bereich der genetischen Manipulation denken - die stille Auszehrung der Menschenwürde, die hier droht, kann niemand übersehen. Immer wieder werden "gute Zwecke" vorgebracht, um das zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Dazu kommen in wachsendem Maß der Menschenhandel, neue Formen der Sklaverei, das Geschäft mit menschlichen Organen zum Zweck der Transplantation.

"Ehe und Familie sind

für die europäische Identität wesentlich."

Zum zweiten sind Ehe und Familie für die europäische Identität wesentlich. Die monogame Ehe ist als grundlegende Ordnungsgestalt des Verhältnisses von Mann und Frau und zugleich als Zelle staatlicher Gemeinschaftsbildung vom biblischen Glauben her geformt worden. Sie hat Europa, dem abendländischen wie dem östlichen, sein besonderes Gesicht und seine besondere Menschlichkeit gegeben, auch und gerade weil die damit vorgezeichnete Form von Treue und von Verzicht immer wieder neu leidvoll errungen werden musste. Europa wäre nicht mehr Europa, wenn diese Grundzelle seines sozialen Aufbaus verschwände oder wesentlich verändert würde.

Wir alle wissen, wie sehr Ehe und Familie heute gefährdet sind - zum einen durch die Aushöhlung ihrer Unauflöslichkeit durch immer leichtere Formen der Scheidung, zum anderen durch ein sich immer mehr ausbreitendes neues Verhalten, das Zusammenleben von Mann und Frau ohne die rechtliche Form der Ehe. In krassem Gegensatz dazu steht das Verlangen homosexueller Lebensgemeinschaften, die nun paradoxerweise eine Rechtsform verlangen, die mehr oder weniger der Ehe gleichgestellt werden soll. Mit dieser Tendenz tritt man aus der gesamten moralischen Geschichte der Menschheit heraus, die bei aller Verschiedenheit der Rechtsformen der Ehe doch immer wusste, dass diese ihrem Wesen nach das besondere Miteinander von Mann und Frau ist, das sich auf Kinder hin und so auf die Familie hin öffnet.

Hier geht es nicht um Diskriminierung, sondern um die Frage, was der Mensch als Mann und Frau ist und wie das Miteinander von Mann und Frau recht geformt werden kann. Wenn einerseits ihr Miteinander sich immer mehr von rechtlichen Formen löst, wenn andererseits homosexuelle Gemeinschaft immer mehr der Ehe gleichrangig angesehen wird, stehen wir vor einer Auflösung des Menschenbildes, deren Folgen nur äußerst gravierend sein können.

Drittens geht es um den religiösen Bereich. Für alle Kulturen grundlegend ist die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist; die Ehrfurcht vor dem Heiligen überhaupt, vor Gott, die sehr wohl auch demjenigen zumutbar ist, der selbst nicht an Gott zu glauben bereit ist. Wo diese Ehrfurcht zerbrochen wird, geht in einer Gesellschaft Wesentliches zugrunde. Gottlob wird jemand bestraft, der den Glauben Israels, sein Gottesbild, seine großen Gestalten verhöhnt. Es wird auch jemand bestraft, der den Koran und die Grundüberzeugungen des Islams herabsetzt. Wo es aber um Christus und um das Heilige der Christen geht, erscheint die Meinungsfreiheit als das höchste Gut, das einzuschränken die Toleranz und die Freiheit gefährden oder gar zerstören würde. Meinungsfreiheit findet aber ihre Grenze darin, dass sie Ehre und Würde des anderen nicht zerstören darf; sie ist nicht Freiheit zur Lüge oder zur Zerstörung von Menschenrechten.

Hier gibt es einen merkwürdigen und nur als pathologisch zu bezeichnenden Selbsthass des Abendlandes, das sich zwar lobenswerterweise fremden Werten verstehend zu öffnen versucht, aber sich selbst nicht mehr mag, von seiner eigenen Geschichte nur noch das Grausame und Zerstörerische sieht, das Große und Reine aber nicht mehr wahrzunehmen vermag.

Europa braucht, um zu überleben, eine neue - gewiss kritische und demütige - Annahme seiner selbst, wenn es überleben will. Die immer wieder leidenschaftlich geforderte Multikulturalität ist manchmal vor allem Absage an das Eigene, Flucht vor dem Eigenen. Aber Multikulturalität kann ohne gemeinsame Konstanten, ohne Richtpunkte des Eigenen nicht bestehen. Sie kann ganz sicher nicht ohne Ehrfurcht vor dem Heiligen bestehen. Zu ihr gehört es, dem Heiligen des anderen ehrfürchtig zu begegnen, aber dies können wir nur, wenn uns das Heilige, Gott, selbst nicht fremd ist.

Gewiss, wir können und sollen vom Heiligen der anderen lernen, aber es ist gerade vor den anderen und für die anderen unsere Pflicht, selbst in uns die Ehrfurcht vor dem Heiligen zu nähren und das Gesicht des Gottes zu zeigen, der uns erschienen ist - des Gottes, der sich der Armen und Schwachen, der Witwen und Waisen, des Fremden annimmt; des Gottes, der so menschlich ist, dass er selbst ein Mensch wurde, ein leidender Mensch, der mit uns mitleidend dem Leiden Würde und Hoffnung gibt. Wenn wir dies nicht tun, verleugnen wir die Identität Europas - und versagen den Anderen einen Dienst, auf den sie Anspruch haben.

Den Kulturen der Welt ist die absolute Profanität, die sich im Abendland herausgebildet hat, zutiefst fremd. Sie sind überzeugt, dass eine Welt ohne Gott keine Zukunft hat. Insofern ruft uns gerade die Multikulturalität wieder zu uns selber zurück. Europa sollte ganz bewusst wieder seine Seele suchen.

Toynbee hat gesagt, dass das Schicksal einer Gesellschaft immer wieder von schöpferischen Minderheiten abhängt. Die gläubigen Christen sollten sich als eine solche schöpferische Minderheit verstehen. Sie sollten dazu beitragen, dass Europa das Beste seines Erbes neu gewinnt und damit der ganzen Menschheit dient.

© diepresse.com | Wien
gut ich bin katholisch erzogen und alles und die inhalte, mit denen muss man als christ nicht übereinstimmen, aber manch eine formulierung hier ist eher "wunderlich", rückständig und sonst noch vieles - nur nicht das, was man von dem ersten papst des 21. jahrhunderts erwarten würde.

besonders zu beachten sind meiner meinung nach seine kommentare zur ehe/homoesexuellen gemeinschaft und zur medizin!
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Beitrag von Birgit »

ich bin auch katholisch.... aber seine einstellung gefällt mich überhaupt nicht.
er war die falsche wahl!
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Beitrag von Martin »

Seine Einstellung ist sehr konservativ!

Aber ich glaube, er wird uns eh nicht lange "erhalten" bleiben! Er scheint ziemlich krank zu sein!
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Beitrag von Ledde »

Ich war ehrlich gesagt mehr als geschockt, als ich von der Wahl Ratzingers gehört habe. Auch wenn sein Name schon desöfteren in den Medien gehandelt wurde. Allerdings wurde auch mehrmals gesagt, dass es nie die Favoriten werden.

Ich hatte gehofft, dass die Katholische Kirche ein Zeichen setzen wird und wenn nicht schon in 21. doch zu mindest in 20. Jahrhundert aufbricht.

Gestern habe ich einen Artikel gelesen (siehe unter Ausschnitt), in dem gesagt wurde, dass die Kirche sich vor allem wegen seiner konservativen Stellung halten konnte und halten wird. Sie begründet also gerade mit ihre Haltung eine Alternative zum Zeitgenössischen zu sein und legitimiert sich auf diese Weise. Vielleicht hat Ratzinger genau dies einsehen müssen und so wäre auch sein der Wandel von einem liberalen zu einem konservativen Geistlichen zu erklären.Da scheint was wahres dran zu sein. Und ich denke auch nicht, dass die Kirche mit dem Zeitgeist gehen sollte, aber sie sollte sich doch mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und sie nicht in gute alte Zeiten zurück wünschen.
Heißt es nicht auch in der Bibel, dass Gott uns den freien Willen gegeben hat??? Den will uns der Papst allerdings nicht zu gestehen.

Das Hauptproblem dieser theologischen Theoretikern ist ihre Entfernung von jeder Art von Alltag. Sie sitzen in dieser Festung des Vatikans (oder sonst wo) und schauen sich die Welt von außen an, von der sie glauben sie zu verstehen.

Ich kenne so einen Glaubensbruder persönlich, der meint vor allem die Selbstverwirklichung der Frau sei Schuld an der Situation hier in Europa und in der restlichen "westlichen" Welt. Vielleicht stimmt es sogar bis zu einem bestimmten Grad, aber die Unterdrückung von einer bestimmten Menschengruppe, um dieses (wie ich finde, auch schon vorher nicht besonders gut funktionierende) Systems zu erhalten, scheint mir aus dem christlichen Wertesystem heraus vollkommen unlogisch. Das ist beinahe so, als ob man sagen würde, hätte man die Sklaverei in den Vereinigten Staaten nicht abgeschafft, wäre und würde es nicht zu rassistischen Übergriffen auf Schwarzamerikanern kommen, da das System sie davor geschützt hat. Und die tatsächlichen gesellschaftlichen Strukturprobleme werden einfachhalber außer Acht gelassen.

Na ja, wie man sieht... kann ich mich über diese Sache wirklich (lang und ausführlich) aufregen...




Aus der Spiegel-Online-Ausgabe vom 20.04.2005

[...] Das Papsttum, schreibt Kommentator Daniel Johnson, sei die älteste und erfolgreichste Institution der Erde. Und sie sei es, weil sie sich nicht dem Zeitgeist gebeugt habe. Sie sei ein notwendiges Bollwerk gegen den Ausverkauf im Jahrmarkt der schnell wechselnden Moden und Heilslehren.

Auch der "Times"-Leitartikler kommt auf Ratzingers Jugend zu sprechen. Aber anders. Er sieht sie nicht als dunkle Bürde, sondern als Vorteil: "Ratzinger wurde in die Weimarer Republik hineingeboren, die zusammenbrach, weil sie ihren moralischen Relativismus extrem auslebte und schließlich vor den säkularen Ideologien von rechts und links kapitulierte."

Er wuchs auf im Dritten Reich, und hat so die mörderischen und zersetzenden Wirkungen einer politischen Religion kennen gelernt. Kurz: Ratzinger ist nicht trotz, sondern wegen seiner deutschen Biografie geeignet als Wächter und Verkünder des Glaubens.

Das ist, auf der Insel, an diesem Tag eine interessante und überraschend sympathisierende Lesart dieser Biografie und dieser Wahl. Dieses Ereignisses eines deutschen Papstes.



http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,352464,00.html
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Laurea
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Beitrag von Laurea »

"Ich kenne so einen Glaubensbruder persönlich, der meint vor allem die Selbstverwirklichung der Frau sei Schuld an der Situation hier in Europa"

Gerade die katholische Kirche ist doch Schuld an der Unterdrückung der Frau...und sie schiebens auch noch Jesus in die Schuhe...so eine Frechheit

Und ja, ich bin auch der Meinung, dass die Moral in unserer Gesellschaft verkommen ist, jeder ist sich selbst der nächste und Worte wie "Skrupel", "Rücksicht" und "Toleranz" existieren in dem Wortschatz vieler nicht (was nicht so schlimm wäre, wenn das nicht auch Mitglieder der "Eliten" wären, die unsere Gesellschaft lenken), aber ich glaube nicht, dass die Doppelmoral der Katholischen Kirche eine Alternative dazu wäre. Und bitte mich nicht falsch zu verstehen, meine Kritik richtet sich nicht pauschal gegen alle Gläubigen und Kirchendiener, ich kann nur die katholische Kirche als Institution im Lichte ihrer Geschichte nicht mehr ernst nehmen und es erfüllt mich vieles mit Abscheu, was da so gelaufen ist.
Die katholische Kirche sollte sich von vielen Dingen distanzieren, um Glaubwürdigkeit zu erlangen, aber so lang wir einen Großinquisitor zum Papst haben, wird das wohl nicht passieren... :cry:
...und eine Stimme erhob sich aus dem Chaos und sprach zu mir: "Lächle, denn es könnte schlimmer kommen." Ich lächelte - und es kam schlimmer
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Ledde
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Beitrag von Ledde »

Die Gesellschaft ist aber nicht erst seit der Säkularisierung "verkommen"... und die Kirche war im Grunde das, was sie heute der Moderne vorwirft. Kapitalistisch, machtverliebt und egomanisch.

Hier wäre mal Ursachenforschung angesagt und nicht ein ewiges herumdoktoren und unterdrücken der Symptome!!!!
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Tara
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Beitrag von Tara »

ich habe schon johannes paul II. für einen sehr konservativen menschen gehalten, aber er hat das, was ich mir unter einem papst vorstelle, noch besser ausfüllen können als ratzinger.
der ist in meinen augen nur ein konservativer hardliner, der genau die ansichten vertritt, die mich aus der katholischen kirche vertrieben haben.
es war aber irgendwie klar dass er das wird, leider gottes. (wie passend...*seufz*)

die katholische kirche ist als solche nicht zu verdammen, aber leider stehen an der spitze ihrer hierarchie männer, die jeden ansatz von liberalisierung verteufeln und ansichten haben, die vielleicht für das at passend wären, aber nicht für dieses jahrhundert.

ein papst sollte meiner meinung nach die wirklichen christlichen werte vertreten und nicht einen erzkonservativen männerbund repräsentieren, der dermaßen festgefahrene ansichten vertritt, die fernab jeder realität sind.
es ist zum beispiel recht einfach zu sagen, dass safer sex eine sünde ist, weil leben dadurch verhindert wird, wenn zig millionen menschen an aids sterben (klar, ist ja eine strafe gottes...) und zig millionen kinder verhungern.

das hat für mich nichts mit christlichem glauben zu tun.

ich will damit jetzt keinem gläubigen katholiken nahe treten, sind ja nicht alle so. ich respektiere den glauben jedes individuums, aber bei sowas hört sich für mich der spaß auf.
Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, daß man gezwungen ist, ununterbrochen dazuzulernen.

George Bernard Shaw
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Beitrag von Starbuck »

ich empfand johannes paul II auch als extrem konservativ aber weltoffen und er hat viel für den weltfrieden getan und sich gegen amerika gestellt. aber dieser papst ist ja jetzt genau das was sich bush wünscht, oder irre ich mich da? er ist ultra konservativ und für all die punkte die bushs konservative regierung verfolgt.

ich bin mir nicht sicher ob er so krank ist, aber es war irendwie traurig zu lesen, dass nicht einmal sein bruder gregor sich für ihn gefreut hat und dieser meint auch, dass er für dieses amt nicht geschaffen ist.

jetzt schreibt die presse ja, dass martinelli am anfang genau so viele stimmen wie ratzinger gehabt haben soll, nämlich 40. martinelli hat aber im vorfeld schon öfters darum gebeten, dass man nicht für ihn stimmt, weil er krank ist. und ratzinger? vielleicht schaut er gesund aus, aber er ist knappe 80 und da beginnen dann die großen probleme allmählich.

zwei punkte versteh ich ja bis heute nicht:
1. warum sieht die katholische kirche nicht ein, dass auch homosexuelle gläubig sein können?
2. die kirche hat einen extrem hohen frauenanteil (nonnen) und warum haben diese null mitspracherecht in der kirche? sie sind doch gerade in afrika und asien der stützpfeiler der kath. kirche und führen die komplette mission durch.
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Beitrag von Birgit »

was ich auch in der kath. kriche nicht verstehe - bei den orthodoxen dürfen pfarrer heiraten und familie haben..sind total happy damit
und unsere? nix da, nur damit die kirche nach deren tod das kleine hab & gut von ihnen einhamstern kann?

versteh ich nicht, warum das so ist... ich find es ja schon irgendwie traurig
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Ratzinger

Beitrag von Ledde »

Ich glaube, dass versteht bald keiner mehr.... :roll:

Leider bin ich mir noch nicht mal sicher, ob die Katholiken weltweit nichts dagegen hätten, dass Zölibat abzuschaffen.

Ich habe gestern sogar in irgendeiner Online-Zeitung gelesen, dass vor allem die Afrikaner sich über diesen Konservativen freuen ("Hauptsache ein Konservativer")...
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