Geisteswissenschaften: Wenig Geld und wenig Ehre
Kein rosiges Bild der Situation der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften (GSK) in Österreich zeichnet eine Studie des Forschungsrats. Von "kurzfristiger und zersplitterter Forschungsförderung für die GSK" ist ebenso die Rede wie von "prinzipieller Geringschätzung der GSK in der Öffentlichkeit".
Folge der "kurzfristigen und thematisch konservativen, gering dotierten Förderpolitik": Damit werde "nur der Pragmatismus des Überlebens gefördert". Internationales Renommee sei damit aber nicht zu erreichen, heißt es in der Studie im Auftrag des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT).
Er fordert deshalb für die Zukunft eine Bündelung der Förderungen, Schwerpunktsetzungen und eine Qualitätssicherung nach eigenen Kriterien.
Fragmentiert, kleinteilig, individuell
In der Untersuchung hat die Politologin Ulrike Kozeluh nicht nur die Größenordnung der GSK in Österreich erhoben, sondern auch qualitative Interviews mit Wissenschaftlern aus dem GSK-Bereich geführt.
Die dabei festgestellte "kurzfristige und zersplitterte Forschungsförderung für die GSK, die fehlende übergeordnete thematisch-programmatische Ausrichtung und die mangelnde strategisch-gesellschaftspolitische Nutzung der vorhandenen Expertise" hat nach Ansicht der Studienautorin u.a. zu folgenden Problemen geführt: einer strukturellen Fragmentierung, inhaltlichen bzw. thematischen und organisatorischen Kleinteiligkeit sowie Individualisierung von Exzellenz.
583 Institute, 8.000 Beschäftigte, gläserne Decke
Laut Studie gibt es in Österreich 583 Institute im GSK-Bereich, 7.859 Personen sind dort beschäftigt, davon rund zwei Drittel an Uni-Instituten. Während an einem Uni-Institut durchschnittlich 19 Personen forschen und lehren, sind es an außeruniversitären Instituten durchschnittlich acht bis zehn.
Von den Beschäftigten sind 3.435 Frauen und 4.424 Männer, wobei sich einmal mehr deutlich "gläserne Decken" für Frauen abzeichnen. Geleitet werden die 583 Institute von 169 Frauen (davon 73 Professorinnen) und 479 Männern (davon 331 Professoren; 65 Institute haben zwei Leiter, Anm.).
In anderen Ländern öffentlich präsenter
Eine Folge der Fragmentierung ist laut Studie eine "mangelnde Präsenz der Disziplinen im öffentlichen Diskurs zu relevanten gesellschaftspolitischen Fragestellungen".
Dagegen seien in Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Schweiz oder Finnland die GSK durch langfristige, grundlagenorientierte Förderpolitik "ganz selbstverständlich öffentlich präsente Avantgarde der Analyse gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung".
Zu wenig Geld, zu wenig Ziele
Auch aus Sicht der Wissenschaftler stellt sich die "geringe Wahrnehmung der Forschungsleistungen" und eine "prinzipielle Geringschätzung in der Öffentlichkeit" mit ihren Auswirkungen auf die Förderpolitik als Problem dar.
Die "zwischen Gießkanne und Fokussierung schwankende" Forschungsförderung sei "zersplittert und wenig zielgerichtet".
Die Möglichkeiten der Forschungsförderung für die GSK seien ziemlich ausgereizt, wichtige Akteure wie das Wissenschaftsministerium bei Grundlagenforschungsprogrammen zu gering dotiert, der FWF sei gegenüber innovativen Forschungsprojekten in der GSK wenig aufgeschlossen.
"Pragmatismus des Überlebens"
Die ständige Verpflichtung zur Anwendungsorientierung und unmittelbaren Verwertbarkeit in der Forschung, die Kurzfristigkeit der Projekte, die fehlende Finanzierung für Publikationstätigkeiten, die Entkoppelung von Lehre und Forschung an den Unis zu Lasten der Forschung würden den notwendigen Aufbau von Expertise in der Grundlagenforschung verhindern.
Mit "kurzfristiger und thematisch konservativer, gering dotierter Förderpolitik" werde nur "der Pragmatismus des Überlebens" gefördert, internationales Renommee sei damit aber nicht zu erreichen, fasst die Studienautorin die Sicht der Wissenschaftler zusammen.
Kriterien der Naturwissenschaft unsinnig
Die befragten Wissenschafter haben nichts gegen eine "gewisse öffentliche Kontrolle" einzuwenden. Allerdings werden vereinheitlichte Kriterien der Qualitätsmessung, die sich an jenen der Naturwissenschaften orientieren, wie z.B. Impact Punkte, "als unsinnig abgelehnt".
Für die GSK seien andere Medien wichtig, wie Publikationen in der Qualitätspresse, der Ruf innerhalb der thematisch relevanten Community, Einladungen zu Konferenzen und die Produktion der klassischen Monografie.
In Frage gestellt wird von den Betroffenen auch die Vereinheitlichung der Leistungsdokumentation an den Universitäten.
Empfohlen: Förderbündelung, Schwerpunkte ...
Der Forschungsrat hat am Dienstag im Rahmen eines "Forschungsdialogs" in Salzburg eine "Empfehlung zur Weiterentwicklung der GSK" vorgelegt. Darin wird eine Bündelung und Koordination sämtlicher Förderungsmaßnahmen gefordert. Als strukturbildende Maßnahme in den GSK empfiehlt der Rat "langfristig angelegte thematische Schwerpunktsetzungen", deren Sinnhaftigkeit durch "foresight studies" geklärt werden sollte.
Thematische Prioritäten sollten entsprechend gesellschaftspolitischer Dringlichkeit gesetzt werden. Fragestellungen von hoher gesellschaftlicher Relevanz und Dynamik, wie Migration, Ageing, kulturelle Differenzen, etc. seien sowohl strukturbildend (durch Kooperationsformen) als auch entsprechend international üblicher thematischer Tiefe und Breite anzulegen.... und langfristige Qualitätssicherung
Der RFT empfiehlt weiters darauf zu achten, dass vor allem Mittel für langfristig abgesicherte Forschung in den GSK zugewiesen werden. Bestehende Maßnahmen sollten überprüft werden, ob sie nicht grundsätzlich auch mit den GSK kompatibel wären. Bei geplanten Maßnahmen, wie den Exzellenz-Clustern sei diese Kompatibilität von vornherein sicherzustellen.
Großen Wert bei der Fördervergabe legt der Rat auf Qualitätssicherung. Diese sollte im Bereich GSK durch Evaluationsformen erfolgen, die die unterschiedlichen Innovationszyklen, Arbeits- und Organisationssysteme der GSK-Disziplinen berücksichtigen.
Schließlich rät der RFT, steuerliche Anreize zur Forschungsförderung durch Unternehmen zu forcieren sowie der GSK gewidmete Stiftungsgründungen zu fördern.
[science.ORF.at/APA, 8.4.08]
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Geisteswissenschaften: Wenig Geld und wenig Ehre
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wobei sich jetzt bei mir die frage stellt: wo hast du schon rosige berufsaussichten?
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vor allem muss ich jetzt auch mal anmerken, dass sich wissenschaftliche diskurse nicht immer "öffentlichkeitstauglich" gestalten. ich meine, dass es viele diskurse gibt, die im zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen problemen stehen und auch lösungsansätze bieten könnten, bloß kommt es mir manchmal so vor, dass historiker gar kein interesse daran hätten, ihre ideen mit der öffentlichkeit (was immer jetzt die öffentlichkeit oder die gesellschaft heißen mag) zu teilen. das ist sicher auch ein problem der sprache. es wird wohl jedem von euch so gehen, dass er mitunter einen text vor sich hat (zum beispiel wissenschaftstheorethische texte) und jeden satz zweimal lesen muss weil er über fünfzeh zeilen geht und so komplex aufgebaut und mit fachtermini vollgestopft ist. mir geht es dann oft so, dass wenn ich dann den sinn entschlüsselt hab und ihn in mir leicht verständliche worte gebracht hab, dann dasteh und denke "... und warum muss das jetzt so komliziert formuliert sein?"
ich meine koplexe inhalte in eine sprachlich einfache form zu bringen ist eine kunst und hat nichts mit banalität zu tun...
lieg ich mit dem einwand so falsch
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...und eine Stimme erhob sich aus dem Chaos und sprach zu mir: "Lächle, denn es könnte schlimmer kommen." Ich lächelte - und es kam schlimmer
- Michael79
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Nein du hast damit vollkommen recht. Nur dann ist man populärwissenschaftlich und die Fachkollegen schauen dich schief an. Is ja echt arg sowas. Mein so gehört es sich ja, der Allgemeinheit mit einfachen Worten neue Erkenntnisse zu erklären. Ich wäre sofort dafür. Die Realität sieht leider noch anders aus....
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- EALeuer
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ich sehe es etwas anders.
in den letzen jahren ist doch eine steigende wertschätzung für "ordentliche" geisteswissenschaften festzustellen. mit "ordentlich" meine ich ernstzunehmende, wissenschaftlich seriös arbeitende disziplinen und keinen "in"-hickhack wie cultural studies und konsorten.
nicht ohne grund stellt mckinsey vermehrt philosophen und historiker ein und auch in anderen bereichend er wirtschaft setzt hier seit einiger zeit ein umdenken ein.
freilich wird es noch einige zeit dauern aber auch dies wird irgendwann ind er gesellschaft angekommen sein.
was prestige angeht, so ist man spätestens als geisteswissenschaftlicher doktor durchaus sehr prestigeträchtig in der öffentlichkeit, als universitäts-professor doch gar moralischer sieger wenn es um inhaltliche diskusisonen geht.
also alles halb so wild.
und geld wird eh völlig überschätzt
in den letzen jahren ist doch eine steigende wertschätzung für "ordentliche" geisteswissenschaften festzustellen. mit "ordentlich" meine ich ernstzunehmende, wissenschaftlich seriös arbeitende disziplinen und keinen "in"-hickhack wie cultural studies und konsorten.
nicht ohne grund stellt mckinsey vermehrt philosophen und historiker ein und auch in anderen bereichend er wirtschaft setzt hier seit einiger zeit ein umdenken ein.
freilich wird es noch einige zeit dauern aber auch dies wird irgendwann ind er gesellschaft angekommen sein.
was prestige angeht, so ist man spätestens als geisteswissenschaftlicher doktor durchaus sehr prestigeträchtig in der öffentlichkeit, als universitäts-professor doch gar moralischer sieger wenn es um inhaltliche diskusisonen geht.
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das sehe ich auch so.EALeuer hat geschrieben:ich sehe es etwas anders.
in den letzen jahren ist doch eine steigende wertschätzung für "ordentliche" geisteswissenschaften festzustellen. mit "ordentlich" meine ich ernstzunehmende, wissenschaftlich seriös arbeitende disziplinen und keinen "in"-hickhack wie cultural studies und konsorten.
und das sehe ich nicht so. bis auf einige ganz ganz wenige "Quotenhistoriker", um nach außen als hip, alternativ und breit aufgestellt "allwissend" gelten zu können, rekrutiert sich die Unzahl der Berater nach wie vor aus dem, was Wirtschaftsunis als uniformierte Schlipsträger ausspucken. Ein wirkliches Umdenken gibts da derzeit nicht.EALeuer hat geschrieben:nicht ohne grund stellt mckinsey vermehrt philosophen und historiker ein und auch in anderen bereichend er wirtschaft setzt hier seit einiger zeit ein umdenken ein.
Generell sagt der Artikel ja aber nichts Neues. Dass auf einen Historiker niemand wartet, sondern man selbst Engagement zeigen muss, um es zu was zu bringen, ist hoffentlich jedem selbst bewusst.