Zuerst sagst du "das ist Demokratie":
Und dann verlangst du, dass die Großparteien reagieren und Graf abwählen sollen:Wenn 30% rechts wählen kann man sich halt, so traurig das jetzt indem Fall ist, ned hinstellen und sagen mein Gott dumm gelaufen is ja wurscht. Das is nunmal der Wille eines Teiles der Bevölkerung gewesen und das ist nach neutralem Betrachten auch zu akzeptieren. [...] Wenn man also blind los schreit und meint die müssen alle weg, treibt man ihnen neue Wähler in die Arme weil sie dann natürlich sagen können, schauts ihr habts gewählt und das akzeptieren die nicht.´
Zu deiner ersten Aussage: Ich sage ja nicht, dass man den Wählerwillen missachten sollte. Die FPÖ ist Dritte und hat sich nach den Usancen im Nationalrat den Dritten Präsidenten verdient. Aber es muss nicht Graf sein. Es gab in den 90ern schon einmal den Fall, dass ein FPÖ-Kandidat für dieses Amt keine Mehrheit bekommen hat - dann hat sie einen anderen nominiert und der wurde gewählt. Die 17,5 Prozent haben ihr Kreuz bei der FPÖ gemacht, aber nicht bei Martin Graf als Nationalratspräsident!Is gut wenn man sowas macht und auch wichtig aber bedeutend wichtiger wäre es wenn sich die Politiker an sich mal der Gefahr bewusst würden. Nur sind die halt zu sehr mit ihren Zwistigkeiten beschäftigt als das sie sich mal um die wahren Probleme kümmern würden. Oder warum wurde der Graf ned schon abgewählt? Lag vielleicht am Unwillen der ÖVP die sich ja den potentiellen Koalitionspartner ned vergraulen will. Wär ja auch a Schande wenn ma mal die doofen Roten raushauen könnt und sich dann wegen solcher läppischen Problemchen wie dem Graf in die Wolle kriegt. Mein Gott was solls die Kultusgemeinde wird doch wohl a bissi an Spaß verstehen.
Zu deiner zweiten Aussage: Das sehe ich auch so - man muss die ÖVP ins Kreuzfeuer nehmen und unter Druck setzen. Nur wegen deren widerlicher Taktiererei und FPÖ-Warmhalterei ist Graf überhaupt noch im Amt!
Und noch was zu den Medien: Natürlich werden Qualitätsmedien nie von einer Mehrheit gelesen werden. Das ist halt einmal so, das zu beklagen ist ziemlich sinnlos. Aber sie existieren, sie können frei arbeiten und sie können auch trotz geringer Auflage ordentlich Druck auf korrupte oder unfähige Politiker ausüben. Mir reicht das eigentlich.
Sowas - und ich halte genau das von dir hier skizzierte Menschenbild für zu undifferenziert.richardd hat geschrieben:ich kann dem was nik gesagt hat in vielen punkten zustimmen. viele der petitionen und demoaufrufe gegen leute wie graf entstehen aus einem, um das mal auch hier einzuführen, falschen medienverständnis. es ist schlicht und einfach ein fehler, zu glauben, die fpö, oder martin graf würden ein "antisoziales", revisionistisches oder rechtes klima erst ERZEUGEN. Solche Ansichten speisen sich aus einem Massenmedien- und Manipulationsverständis des vorigen Jahrhunderts. (wenn nicht sogar des vorvorigen). Schließlich sind die österreichischen Wähler, bei aller Kritik, keine Sprechpuppen, denen man jedes Denken (auch das uns unangenehme) erst durch politische Hampelmänner eingeimpft hat. Ich persönlich würde den FPÖ-Granden garnicht erst soviel Überzeugungskraft attestieren. Viel eher, und das ist traurigerweise die einfachste Erkenntnis, sagen diese Politiker eben das, was viele Menschen denken. Alles andere würde ja jedem, der nicht gerade eine uns genehme politische Meinung hat, jedes Verständnis absprechen.
Vielleicht wäre es besser ein etwas differenzierteres Menschenbild zu entwickeln, das ist bei den politisch Engagierten (egal welche Richtung sie bevorzugen) nämlich leider Mangelware

Ich habe nicht gesagt, dass die Menschen ausschließlich von den Politikern verhetzt werden. Das wäre falsch. Für genauso falsch halte ich aber das Gegenteil: dass die Menschen einfach so sind wie sie sind und dementsprechend halt FPÖ und BZÖ wählen.
Beide Bilder, egal ob "Politik --> Menschen" oder "Menschen --> Politik" sind zu statisch und eindimensional. Tatsächlich schaut die Gleichung so aus: "Menschen <--> Politik". Beide Seiten beeinflussen einander wechselseitig. Beide Seiten sind für das rechte Klima in Österreich verantwortlich. Und dementsprechend muss man auf beiden Seiten ansetzen, wenn man das ändern will. Wie funktioniert das?
Will man die Menschen ändern, geht das nur langfristig: In erster Linie, indem das Bildungssystem verbessert wird. Das ist zwar enorm wichtig, kann aber erst in 10, 15 Jahren Auswirkungen auf Wahlergebnisse und das politische Klima haben.
Auf der Ebene der Politik kann man dagegen sofort eingreifen. Wenn breite Teile der Gesellschaft - nicht nur Parteien, auch Gewerkschaft, Kirchen usw. - klar gegen rechtsradikale Politik Stellung beziehen, wenn sie keine Rechtsradikalen in Schlüsselpositionen der Republik wählen, dann wirkt das eben - im Sinn der wechselseitigen Beeinflussung - auf die Menschen zurück. Signalisieren dagegen die ÖVP-Innenminister "was die FPÖ in der Ausländerpolitik kann, kann ich schon lange" und stimmt die SPÖ ohne Not bei einem menschenrechtlich katastrophalen Fremdenrechtspaket mit, dann sind solche ehemals rechtsradikalen Positionen auf einmal in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Und auch das wirkt auf die Menschen zurück. Die finden auf einmal nichts mehr dabei - die gesellschaftlichen Autoritäten tuns ja auch. Zuerst wirkt sich das vielleicht nur im Gemeindebau dem türkischen Nachbarn gegenüber aus, irgendwann dann in der Wahlurne mit einem Kreuz für die FPÖ. Wenn man das ganze weiterspinnen will, können auch Vorfälle wie in Ebensee als mittelbare Folge des so erzeugten rechten Klimas gedeutet werden. Schritt für Schritt ist auf einmal "nix dabei", Neonazi-Gedankengut auch öffentlich zu präsentieren.
Ich denke, dass ich meine Theorie auch mit Beispielen belegen kann: In Belgien z.B. haben die so genannten demokratischen Parteien einen "cordon sanitaire", einen "Seuchengürtel" um sind die Rechtsradikalen gelegt und koalieren nicht mit ihnen. Und siehe da, der Vlaams Belang, früher Vlaams Blok, ist weit davon entfernt, die Stärke einer FPÖ zu haben, ist noch nie über 12% hinausgekommen. Und das, obwohl Belgien innerlich von Nationalismen zerrissen ist und viel tiefere Gräben in der Gesellschaft existieren als in Österreich!
Als trauriges Gegenbeispiel kann Österreich dienen: Seit den frühen 90ern haben sich die diversen großen Koalitionen von der FPÖ die Themen vorgeben lassen. Begonnen hat's mit der Asylgesetznovelle von Löschnak 1991, vorläufiger Höhepunkt war das Fremdenrechtspaket 2005. Selbst wenn wie damals der Kanzler - Vranitzky - rhetorisch massiv gegen die FPÖ aufgetreten ist, war die Koalition auf der realpolitischen Ebene Erfüllungsgehilfe der Rechten. Und was hat's gebracht, immer weiter nachzugeben? Die FPÖ ist gewachsen, gewachsen, gewachsen. Unterbrochen wurde das nur durch die Selbstzerstörungen 2002 (Knittelfeld) und 2005 (BZÖ). Jetzt sind wir wieder da, wo wir vor 15 Jahren schon waren: ÖVP-Innenminister von Strasser bis Fekter haben weitgehend FPÖ-Positionen übernommen, weil sie glauben, dass ihnen sonst die Wähler davonlaufen. Tatsächlich verlieren sie eine Wahl nach der anderen und die FPÖ gewinnt. Man sollte meinen, sie wären klüger geworden...
Auch die aktuelle Europawahl passt ins Bild: Hier hat es nach einem hetzerischen FPÖ-Wahlkampf klare Verurteilungen von breiten Teilen der Gesellschaft gegeben - SPÖ, ÖVP, Grüne sowieso, auch die Kirchen und der Bundespräsident - und die FPÖ ist unter den Erwartungen geblieben.
Wann werden sie, wann werden wir es endlich lernen? Unermüdlicher Kampf ist das einzige, das gegen Rechtsradikalismus hilft. Anbiedern oder nachäffen legimitiert ihn und stärkt ihn.
Also: Immer weitermachen, gegen Graf auftreten, gegen Strache auftreten, immer wieder aufs Neue. Zu Demonstrationen gegen sie gehen, zur Lichterkette gehen, Petitionen unterschreiben - und weiterverteilen. Und hoffen, dass irgendwann die Bildung greift und die Menschen von alleine so gescheit sind, kein rechtes Klima mehr (mit-)zu erzeugen.
